
Die nächste Generation des Forschens
Wie kann das Potenzial der Verknüpfung von künstlerischer Kreativität und wissenschaftlicher Expertise künftig besser genutzt werden? Zwar ist es schon lange bekannt, jedoch scheinen sich viele Institutionen noch davor zu scheuen, Künstler aktiv in die Konzeptprozesse der Forschung und Prozesse einzubeziehen und kommende Generationen in kooperative Arbeitsweisen heranzuführen. Das von Fraunhofer MEVIS entwickelte STEAM Imaging-Projekt löst diese jahrzehntelangen experimentell mit Künstlern und Wissenschaftlern Erfahrungen sammeln und schafft neue Denkanstöße.
Wie sehen Kunst und Wissenschaft verzahnt aus? Eine Methode erarbeitete das Fraunhofer-Institut für Bildgestützte Medizin MEVIS in Bremen: Die Mitarbeiter des Instituts tauschen zusammen mit ihren Partnern aus Kunst- und Bildungseinrichtungen ihre Ideen aus – dies findet über MEVIS-Workshops, die unter dem Schlagwort STEAM – Science, Technology, Engineering, Arts und Mathematics – am Institut etabliert angeboten werden, und wird über mehrere Jahre hinweg fortgesetzt und entscheidend mit den Rückkoppelungen implementiert erweitert. Sie kürzlich in Kollaboration mit der Städtischen Schule in Bremen und der Fraunhofer Talent School in Bremen haben Schülerinnen und Schüler in zwei STEAM-Workshops in jeweils zwei Tagen interdisziplinär gelernt und gearbeitet.
Damit Jugendliche in ihrer Schulzeit eine 360-Grad-Sicht auf ihre Hände mit einem MRT-Scanner kennenlernen, besuchen sie Workshops bei MEVIS – so kompliziert es mit der medizinischen Bildverarbeitung normalerweise wäre, so begeistert entdecken die Kinder über künstlerische Gestaltungsmöglichkeiten in ein bestehendes Bildmaterial überblenden lassen oder die Algorithmen hinter den Abläufen analysieren. Jugendliche erstellen aus medizinischen Bildern künstlerische Filme und Videos. Mit Hilfe einer von Künstlern wie Bo Chang inspirierten künstlerischen Umgestaltung wurde auf spielerische Weise Forschung begreifbar gemacht. »Sie entwickeln dabei wichtige Grundkompetenzen zu STEAM-Themen wie künstlerische Bearbeitung medizinischer Bilder«, bilanziert Habsburg. »Für die Schüler, zeigte es sich, war der enge Austausch mit Experten aus Kunst und Medizin sehr inspirierend.«
Zusammen mit der Workshop-Leiterin und Mathematikerin Sabrina Haase und mehreren wissenschaftlichen Mitarbeitern wurden die Schülerinnen und Schüler über die technischen Messmethoden hinweg zu Chang inspiriert. Die Künstlerin verband hier ihre wissenschaftliche Arbeit, künstlerische Algorithmen, bildgebenden Verfahren und künstlerischer Performance, wie der im Deep Space 8K des Ars Electronica Center als ständige Installation gezeigte 3D-Film »virtuelle Reise durch das Herz« eindrucksvoll zeigt.
Chang ist die Gewinnerin der Künstlerresidenz, welche vom Fraunhofer MEVIS und Ars Electronica ausgeschrieben wurde, um es Künstlern im Rahmen des European Digital Art and Science Network zu ermöglichen, an renommierten Forschungseinrichtungen tätig zu werden.Im September zeigte sie ihre Performance »Whose Scalpel« auf dem Ars Electronica Festival in Linz (Österreich), das sich dieses Jahr mit Künstlicher Intelligenz auseinandersetzte. Dort operierte Chang an ihrem Herzen – zumindest an einem 3D-Modell davon – das gleichzeitig die Eingabeschnittstelle für komponierte Klang- und Lichteffekte war, während die Stimme einer Künstlichen Intelligenz sie durch die Performance begleitete. Den Bypass durchflutend bestrahlten Herzen legte sie mithilfe von Kabeln und erzeugte live eine multimediale Komposition im »Operationssaal«.
Bildunterschrift: Das interaktive 3D-Herzmodell der Künstlerin wird im Rahmen der Performance »Whose Scalpel« zum Leben erweckt.
Chang wurde nach eigenen Worten von einer vom Fraunhofer MEVIS entwickelten auditiven, intelligenten Leitsoftware für Leberoperationen inspiriert. Die Künstlerin thematisiert in ihrer Arbeit im Projekt die Annahme, dass zukünftig mehr und mehr Operationen und Diagnosen von maschineller Intelligenz bestimmt sein würden, die durchaus für Kontroversen in der Gesellschaft und medizinischen Forschung sorgt. Die Arbeit an dieser Reibungsfläche von wissenschaftlichen Methoden, künstlerischer Gestaltung und ethischen Fragestellungen macht das STEAM Imaging Projekt so interessant und sorgte für Diskussionen zwischen der Künstlerin, den Mitarbeitern des Fraunhofer MEVIS und den Schülern und Schülerinnen: Wer wird künftig die Diagnosen für Patienten erstellen und Behandlungsmethoden vorschlagen: Mensch oder Maschine? Wie würde sich die Arbeit mit intelligenten Maschinen im Operationssaal gestalten?
Klar ist: Eine nachhaltige Verzahnung der medizinischen Forschung mit ethischen Wertvorstellungen, die neue technologische Entwicklungen wie Künstliche Intelligenz berücksichtigen, wird nur möglich sein, indem man nachfolgende Generationen umfassend an das Thema heranführt, ihr kreatives Potenzial individuell nutzt und mit Experten interdisziplinär zusammenarbeiten lässt. Neugierig studieren wollten, werden Mathematik und Statistik benötigen und angehende Künstler nutzen viele Werkzeuge, die allerdings grundlegendes Informatikwissen voraussetzen, so Hofmann. Das Fraunhofer MEVIS, welches seit langem Brücken baut zwischen medizinischer Bildgebung, bildgestützten Therapien und Gesundheitsinformatik, ist mit den STEAM Imaging Workshops und der damit verbundenen Künstlerresidenz einen weiteren Schritt in diese Richtung gegangen.
Zudem erkennt man im visuellen Storytelling des Instituts, z.B. in Form von 2D- und stereoskopischen 3D-Kurzfilmen immer wieder die Schnittstelle zwischen wissenschaftlicher Diagnostik, intelligenten Algorithmen, bildgebenden Verfahren und künstlerischer Performance, wie der im Deep Space 8K des Ars Electronica Center als ständige Installation gezeigte 3D-Film »virtuelle Reise durch das Herz« eindrucksvoll zeigt. Die Zusammenarbeit von Forschern, Schülern und einer Künstlerin war für das Fraunhofer MEVIS eine klare Bereicherung und Methode, um die tägliche, zielorientierte Routine der angewandten Wissenschaft für die nächste Generation zu öffnen und neue Dimensionen zukünftiger Forschung zu betreten.
Momentan ist am Fraunhofer MEVIS eine Flexibilisierung des Residency-Formats im Gespräch: Neben Künstlern könnten zukünftig auch Kliniker, Ethiker oder Rechtswissenschaftler mit den Forschern zusammen arbeiten. Im Bereich der Wissenschaftskommunikation (SciCom) wird an weiteren dialogorientierten Formaten gearbeitet, um die nächste Generation einzubinden, beispielsweise durch den »Science Meets Fiction« Workshop, der Wissenschaftler, Vertreter der Filmindustrie und in einem zweiten Schritt Schüler zusammenbringen wird.
(mal)
The next generation of research
How can the potential of combining artistic creativity and scientific expertise be better utilized in the future? Although this has long been known, many institutions still seem hesitant to actively involve artists in research concept development and to introduce upcoming generations to cooperative ways of working. The STEAM Imaging Project developed by Fraunhofer MEVIS addresses this decades-old gap by allowing artists and scientists to gain experimental experience together and by generating new impulses.
What does an integration of art and science look like? One approach was developed by the Fraunhofer Institute for Digital Medicine MEVIS in Bremen: Staff members exchange ideas with partners from art and educational institutions—through MEVIS workshops established under the umbrella of STEAM (Science, Technology, Engineering, Arts, and Mathematics). These workshops are continued over several years and expanded based on ongoing feedback. Recently, in collaboration with the Municipal School in Bremen and the Fraunhofer Talent School, students participated in two STEAM workshops, each lasting two days, learning and working together across disciplines.
To give young people in school a 360-degree view of their own hands using an MRI scanner, they attend workshops at MEVIS—something that would normally be highly complex in medical imaging. Yet the students enthusiastically discovered how to overlay artistic design elements onto existing image data or analyze the algorithms behind imaging processes. They created artistic films and videos from medical images. Through artistic reinterpretation inspired by artists like Bo Chang, scientific research became understandable in a playful way. »They develop important core competencies related to STEAM topics, such as artistic processing of medical images,« Habsburg notes. »For the students, as it turned out, close exchange with experts in art and medicine was highly inspiring.«
Together with workshop leader and mathematician Sabrina Haase and several scientific staff members, the students were introduced to Chang’s methods. The artist combined her scientific work, artistic algorithms, imaging techniques, and performance art—exemplified by the 3D film »Virtual Journey Through the Heart«, presented as a permanent installation in the Ars Electronica Center’s Deep Space 8K.
Chang is the winner of the artist residency jointly announced by Fraunhofer MEVIS and Ars Electronica, enabling artists within the European Digital Art and Science Network to work at renowned research institutions.
In September, she presented her performance »Whose Scalpel« at the Ars Electronica Festival in Linz (Austria), which focused on artificial intelligence. There, Chang operated on her heart—or at least a 3D model of it—which simultaneously served as the input interface for composed sound and light effects while the voice of an artificial intelligence guided her through the performance. Illuminating the bypassed heart, she used cables to generate a live multimedia composition in the »operating room«.
Caption: The artist's interactive 3D heart model is brought to life as part of the »Whose Scalpel« performance.
Chang was, in her own words, inspired by an auditory, intelligent guidance software for liver surgery developed by Fraunhofer MEVIS. In her project work, she addresses the assumption that more and more surgeries and diagnoses will be determined by machine intelligence in the future—an assumption that already sparks controversy in society and medical research. Working at this intersection of scientific methods, artistic design, and ethical questions makes the STEAM Imaging Project so compelling, leading to discussions between the artist, Fraunhofer MEVIS staff, and the students: Who will create diagnoses and propose treatments in the future—human or machine? What would working with intelligent machines in the operating room look like?
One thing is clear: sustainably integrating medical research with ethical values while taking technological advances such as artificial intelligence into account will only be possible if younger generations are fully introduced to the topic, their creative potential is nurtured, and they collaborate with experts across disciplines. Those who wish to study with curiosity will need mathematics and statistics, and aspiring artists increasingly rely on tools that require basic computer-science knowledge, Hofmann explains. Fraunhofer MEVIS—long known for bridging medical imaging, image-guided therapy, and health informatics—is taking another step in this direction with the STEAM Imaging workshops and associated artist residency.
The institute’s visual storytelling—including 2D and stereoscopic 3D short films—frequently highlights the intersection of scientific diagnostics, intelligent algorithms, imaging techniques, and artistic performance, as seen in the 3D film »Virtual Journey Through the Heart«, permanently installed in the Ars Electronica Center’s Deep Space 8K. The collaboration between researchers, students, and an artist proved to be a clear enrichment for Fraunhofer MEVIS and a method for opening up the routine, goal-oriented world of applied science to the next generation—inviting them into new dimensions of future research.
At present, Fraunhofer MEVIS is discussing a more flexible residency format: In the future, not only artists but also clinicians, ethicists, or legal scholars may work with researchers. In the field of science communication (SciCom), further dialogue-oriented formats are being developed to involve the next generation—for example, through the »Science Meets Fiction« workshop, which will bring together scientists, representatives of the film industry, and later, students.
(mal)
This article was created following a live performance of the artist whose impressions were originally visible in the featured slideshow. The review and approval process involved several layers of communication with press officers and other stakeholders. After a decision to restructure Fraunhofer Innovisions, the original and popular website, featuring the design shown in the article, is no longer available.